MALBERG. Die Silvesterfeier 1875 war im damaligen Ort Hommelsberg (heute Malberg) nicht irgendeine Silvesterfeier. Bei den üblichen Neujahrswünschen drehte sich in den Bergmannsfamilien vieles um die Zukunft der Musik.
Zur Zeit der Jahreswende 1875/76 lagen in dem kleinen Bergmannsdorf Hommelsberg (heute Malberg) im Gebhardshainer Land konkrete Pläne zur Gründung einer Musikkapelle auf dem Tisch. Sogar die Terminplanung stand schon fest, denn am 6. Januar 1876 wurde die Bindweider Bergkapelle im Rahmen einer Gründungsversammlung offiziell ins Leben gerufen. Damals konnten die Gründerväter nicht erahnen, dass sie mit diesem Schritt einen Kulturträger ersten Ranges aus der Taufe hoben, der heute, an der Schwelle zum Jahr 2001, die Feiern zu seinem 125-jährigen Bestehen vorbereitet.
Im Gedenken an den eigentlichen Gründungstag findet am Samstag, 6. Januar (17.30 Uhr), ein Dankgottesdienst in der Malberger Kirche statt. Die Mitgestaltung wird natürlich von der Bindweider Bergkapelle übernommen. Anschließend ist im Bürgerhaus eine Familienfeier des Jubiläumsvereins vorgesehen, bei der der Kreismusikverband langjährige aktive Musiker ehren wird. Der Vorstand wird einen Rückblick auf die Schwerpunkte des 125- jährigen Vereinslebens geben.
Wie Vorsitzender Uwe Fischer (Nauroth) mitteilte, sollen bei der Geburtstagsfeier auch Tanz und Unterhaltung mit der Kapelle "Moonlight" nicht zu kurz kommen. Dem Jubiläumsverein gehören heute rund 270 Mitglieder an.
Die Gründerväter von 1876 suchten in der Erhabenheit der Musik vor allem ein Stück Erholung vom harten Bergmannsalltag.
In dunklen Stollen der Grube "Bindweide" und umgeben von mächtigem Felsgestein festigte sich bei den Männern mit ihren rauhen Hüllen und schwieligen Händen die Sehnsucht nach einem geruhsamen Feierabend mit Musik. Die Gründungsphase lag in einer Zeit, als die Gewerkschaft Krupp aus Essen die Eisenerzzeche "Bindweide" im Bereich von Malberg, Rosenheim und Steinebach übernahm und in den Folgejahren zu einem maschinellen Tiefbaubetrieb mit revierübergreifender Bedeutung ausbaute. Angesichts der gefahrvollen Arbeit und der Alltagssorgen der Hauer und Steiger von einst ist es erstaunlich, aber auch erklärbar, dass den Knappen immer noch Zeit für Poesie, Kunst und Kreativität blieb.
Eines der maßgeblichen Vorbilder war der erste Bindweider Betriebsführer unter kruppscher Leitung.
Obersteiger Anton Kirschbaum (Jahrgang 1832), der vor 125 Jahren Motor zur Vereinsgründung war, ging später als Förderer bergmännischer Kultur und sogar als Komponist in die Grubengeschichte ein. Er hinterließ u.a. eine "Lebensbeschreibung", in der es wörtlich heißt: "Hier gründete ich einen Knappenverein und in diesem Verein eine Bergkapelle und einen Knappen- Sängerchor." Der Knappenverein, dem Bergleute aus dem gesamten Amtsbezirk Gebhardshain angehörten, hatte die Funktion, die Mitglieder und deren Familien in Notfällen zu unterstützen. Zudem bestand die Aufgabe, Tugend und Bildung der Bergleute sowie die Pflege von Musik und Gesang zu fördern.
Einen ihrer frühen großen Auftritte hatten die "Bindweider" bei der feierlichen Enthüllung des Kaiser-Wilhelm- Denkmals in Hachenburg, wie es die Betzdorfer Zeitung am 3. September 1888 kommentierte: "In dem stattlichen Festzug gewährte insbesondere der Knappenverein "Bindweide", ca. 500 Mann, sämtliche in Bergmannstracht, unter Vorantritt ihrer eigenen Kapelle, einen imposanten Anblick."
Schon damals vermerkte Obersteiger und Kapellmeister Anton Kirschbaum Details zur Uniformierung des Knappencorps, die bis heute Gültigkeit besitzen: "Beim Bergfest und sonstigen Feierlichkeiten wurden zu den Freiberger Kitteln Schafthüte mit Federbusch getragen. Diese Federbüsche waren bei den Musikern schwarz/rot. Ich selbst trug einen ganz weißen Federbusch."
Den weißen Federbusch in der Bindweider Bergkapelle trägt heute - und das seit mehr als 50 Jahren - Kapellmeister Heribert Weller (Gebhardshain). Vorgänger in dieser Funktion waren u.a. Peter Roth, Josef Schönborn und Oswald Becker.
1977 erhielt die Bindweider Bergkapelle die Pro-Musica-Plakette.
RZ Betzdorf vom 2. Januar 2001, Joachim Weger